Seit wann sind die Menschen religiös?

Seit wann sind die Menschen religiös?

Vorab einige Gedanken. Viele von uns sind angetan von den grossen Mythen, die wir in heiligen Schriften lesen. Fakt ist: Alle grossen Mythen wie Sintflut, Schöpfungsgeschichten und weitere, sind auch Bestandteil der meisten anderen Kulturen. Sie wurden da genauso oder in leicht anderer Form weitererzählt. Das heisst, die Geschichten in der Tora, Bibel und Koran sind keine nur für den Monotheismus gültigen Geschichten. Das gilt ganz speziell für den Koran, der Islam geht fast vollständig aus dem jüdischen Glauben hervor. Dort finden sich auch Geschichten, die im Judentum und speziell im christlichen Glauben wieder vergessen wurden, da ist besonders das Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen“ zu erwähnen. Oder der absolute Monotheismus, der in der christlichen Lehre schon sehr bald gelockert wurde. So durch die Trinität und die inzwischen unzähligen Heiligen der Katholiken. Die Religionsgeschichten gleichen sich fast alle, egal, wie weit auseinander die einzelnen Stämme waren. Daraus lässt sich schliessen, dass der Mensch für bestimmte Geschichten besonders empfänglich ist. Ebenso, dass bei aller Mutterverehrung die Frauen immer Menschen zweiter Klasse waren und sind. Sie verkörpern die Erbsünde, Unkeuschheit und das Übel schlechthin. So wird es für die Patriarchen leicht, sich über sie zu erheben und ihnen für alles die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Ob schlechte Ernten, Hungersnot oder Seuchen, die Schuldigen waren immer schnell gefunden – die Frauen.

Nun aber zurück zur Frage: Seit wann sind die Menschen religiös?

Diese Frage kann niemand schlüssig beantworten oder gar beweisen, ich selber neige dazu zu glauben, dass der Mensch, als er sich bewusst wurde ICH BIN und ich bin vergänglich, die Suche nach etwas Höherem begann. Es musste auch helfen, die Mühsal des täglichen Lebens erträglicher zu machen. Der Mensch brauchte eine Sinngebung, einen Lohn für sein entbehrungsreiches Leben, ein gerechtes Jenseits oder eine Wiedergeburt.
Die Fragen nach dem Sinn des Daseins, die Angst vor dem Tod oder dem Wirken von Mächten, die sich dem Verstand nicht erschliessen, waren seit sehr langem untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden. Antworten wurden von Religion und Mythen erwartet. So führen die ersten Zeugnisse von Religiosität und Mythenbildung zurück bis in die Altsteinzeit, wie weit sie wirklich zurückreichen, wissen wir nicht. Generell müssen wir gestehen, dass vieles aus dieser Zeit, wie auch aus späteren Epochen, nur Spekulationen sind. Selbst im Neuen- wie auch im Alten Testament müssen wir uns damit abfinden, dass die allermeisten Protagonisten Fantasiegebilde sind.
Für eine Religion des Homo erectus oder noch älteren Hominiden gibt es bislang keine eindeutigen Beweise, doch schon beim Neandertaler mehren sich die Anzeichen hierfür. Spätestens aus der mittleren Altsteinzeit datieren Funde, die so etwas wie ein religiöses Weltbild des Menschen erahnen lassen, obwohl der religiöse Charakter dieser Funde noch von manchen Wissenschaftlern stark angezweifelt wird. Sind Wandmalereien Kunst oder Religion, oder vereinten sich hier Kunst und Religion?
Mehr oder weniger gesichertes Wissen haben wir erst sei den schriftlichen Überlieferungen, die uns die Kulte, Götter und Mythen der ältesten Hochkulturen von Mesopotamien und Ägypten offenbaren. Diese beeinflussten auch die Entwicklung der griechischen Religion und behielten so ihre Ausstrahlungskraft bis in die hellenistisch-römische Zeit, in der Mysterienkulte ägyptisch-orientalischer Herkunft noch einmal eine Blüte erlebten.
Die Religion und die Mythen der antiken Griechen mit ihrem eindrucksvollen Götterhimmel beruhten auf einer Synthese indoeuropäischer, altmediterraner und vorderasiatischer Elemente. Die Römer übernahmen die griechische Mythologie in vielen Aspekten fast unverändert, so war etwa ihre Götterwelt praktisch identisch mit der griechischen. Dennoch hatte die römische Religion Eigenheiten, die auf altitalische und etruskische Einflüsse zurückzuführen sind. Während die antiken Religionen des Mittelmeerraumes, Chinas und Indiens recht gut erforscht sind, stehen über die religiösen Vorstellungen im vor- und frühgeschichtlichen Europas nur wenig konkrete Hinweise zur Verfügung. Was über Kelten, Germanen und Slawen bekannt ist, beruht auf archäologischen Funden, schriftlichen Zeugnissen ihrer Nachbarn oder mündlichen Überlieferungen, die erst später schriftlich festgehalten wurden. Ähnlich verhält es sich mit den altamerikanischen Kulturen, deren Hinterlassenschaft durch die europäische Eroberung grösstenteils zerstört wurde.
Nun aber zurück zum Wieso. Ohne Zweifel war der Tod die treibende Kraft für Religiosität, welcher Art auch immer. Nicht zu unterschätzen ist aber auch, dass der Mensch nach Erklärungen suchte für alle die Ereignisse, die um ihn herum geschahen. Blitze, Donner, Stürme, Mond und Sonnenfinsternis verlangten nach Erklärungen. Da das Wissen fehlte, mussten Mythen und Götter herhalten.
In der Hauptsache ging es um Vorstellungen vom Weiterleben nach dem Tod. Die Gräber dieser Zeit lassen erkennen, dass es wahrscheinlich bereits früh eine intensive Beschäftigung mit dieser Thematik gab.
Der Brauch, die Toten zu bestatten, ihnen Beigaben in Form von Werkzeugen und Fleischstücken mitzugeben und gelegentlich die Gräber mit rötlichem Ocker (einem Symbol für Blut und damit für Lebenskraft) auszumalen oder Stücke von Ocker beizulegen, macht deutlich, dass der Tod nicht als etwas Endgültiges aufgefasst wurde. Verstärkt wurde diese Vorstellung möglicherweise durch Träume, in denen verstorbene Angehörige erschienen. In diesen Rahmen gehören auch gesonderte Bestattungen von Schädeln, die von Menschen oder auch Tieren – meist von Höhlenbären – stammten. Die Deutung dieser Vorgehensweisen als Ausdruck eines »Kultes« ist allerdings sehr umstritten.
Der Mensch spielt sicher die Hauptrolle, aber auch die erlegten Tiere spielen eine nicht geringe Rolle in diesen Kulten. Hier sind Opferfunde gemeint. Es sind dies bewusste Niederlegungen, meist der besten Stücke des Jagdwildes oder ganze Tiere, die auch mit Steinen beschwert in Gewässern versenkt wurden. Die besondere Anordnung mancher dieser Tiere sowie das Beigeben von Steinwerkzeugen und Schmuckstücken lassen auf eine kultische Bestattung der Tiere schliessen.
Es kann nicht erstaunen, dass auch die zahlreichen Malereien in den Höhlen zu einem grossen Teil Tiere darstellen. Sie zeigen auch eine gedankliche Nähe zum „Bärenzeremoniell“ nordasiatischer Jägervölker, durch das der Geist des getöteten Tieres versöhnt werden soll, lässt sich dabei nicht völlig ausschliessen. Da die Menschen der Altsteinzeit zur Deckung ihres Lebensunterhaltes hauptsächlich von der Jagd abhängig waren, lebten sie in enger Symbiose mit der Tierwelt. Die Tatsache, dass sich alle diese Malereien tief im Inneren oft weit verzweigter Höhlensysteme und somit weit entfernt vom Wohnbereich befinden, verweist auf ihren kultischen Gehalt. Man nimmt an, dass diese Abbildungen der Abhaltung von Jagdzeremonien dienten, die das Wild vor die Waffen der Jäger zwingen sollten. Aber auch die Verbindung mit Initiationsriten, bei denen Heranwachsende in die Erwachsenengesellschaft aufgenommen wurden, scheint in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen.
Die Art der Gemälde verweisen auf ihren kultischen Gehalt. Da sind wir ausschliesslich auf die Archäologie angewiesen, deren Funde sich aber nicht immer eindeutig zuordnen lassen. Das ergibt ein weites Feld für Interpretationen. Ohne Zweifel aber waren seit frühester Zeit die Fortpflanzung und Fruchtbarkeit zentrale Themen des menschlichen Lebens. Schon für die Jäger- und Sammlervölker der Altsteinzeit spielte der Begriff der Fruchtbarkeit eine grosse Rolle.
Auch Darstellung von Schamanen oder Zauberern, die mit tierischen Attributen wie Tierfell oder Geweih ausgestattet sind, legen die Vermutung nahe, dass der Schamanismus in den vorgeschichtlichen Jägerkulturen liegen. Diese „Medien“ zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Menschen und überirdischen Mächten, lassen den Schluss zu, dass bereits in der Altsteinzeit Schöpfungsmythen existierten, die den Ursprung des Menschen, der Welt und der Götter zum Thema hatten.
In diesen Zusammenhang gehören auch Skulpturen von Mischwesen – halb Mensch, halb Tier –, die den fliessenden Übergang zwischen Mensch und Tier im altsteinzeitlichen Weltbild deutlich machen. Von da war es nur ein kleiner Schritt zum Auftreten der ersten Venusstatuen, wo zum ersten Mal der Aspekt der Fruchtbarkeit zum Ausdruck gebracht wurde. Die Fülle der weiblichen Form symbolisierte Reichtum an Kindern und Nahrung in einer Zeit, in der selten Überfluss herrschte. Ein weiterer Aspekt von Fruchtbarkeitskulten zeigt sich in den Mythen, in denen eine Gottheit stirbt, nach dem Tod aber in periodischen Abständen wieder auf der Erde erscheint. Hier wird das Wachsen, Leben und Sterben der Pflanzen mit dem Leben und Sterben des Menschen in Verbindung gebracht und gleichzeitig der Hoffnung auf Wiedergeburt Ausdruck verliehen.
Somit wird ein zyklischer Zeitbegriff – Geburt, Leben, Tod, Wiedergeburt – geprägt, in dem übergeordnete kosmische Vorgänge (z. B. der Jahreslauf) mit dem menschlichen Leben in Verbindung gebracht werden.
Fruchtbarkeitsriten und -mythen spielen bei allen sesshaften Völkern
 eine grosse Rolle. Auch in den Hochkulturen stehen zahlreiche Riten (Sä-, Pflug- und Ernteriten), die oft vom König durchgeführt wurden, im Zusammenhang mit alten Fruchtbarkeitskulten.
Die Steinzeit (wobei der Ausdruck Steinzeit eigentlich falsch ist, man müsste eher von der Holzzeit sprechen, waren doch der allergrösste Teil der Waffen und Werkzeuge aus Holz) war die längste Epoche der Menschheitsgeschichte. Sie begann mit dem Auftreten der ersten Menschen vor etwa zwei Millionen Jahren und endete um 7000 bis 2000 v. unserer Zeitrechnung.
Auch die Nutzung des Feuers durch die Menschen bekam in dieser Epoche eine immer grössere Bedeutung.
Die Wichtigkeit der Verehrung der Fruchtbarkeit setzte sich auch beim Pflanzenanbau und der Tierzucht fort. Die damit verbundene Symbolik wurde zu einem wichtigen Merkmal jungsteinzeitlicher Religionen.
Die Entdeckung der biologischen Vaterschaft erfolgte spät! Wie das Kind in den Mutterschoss kam, war für den primitiven Menschen zweifellos ein Geheimnis. Angesichts des Zeitraumes, der zwischen Befruchtung und Geburt liegt, ist es wahrscheinlich, dass der Zusammenhang von Schwangerschaft und Geburt nicht klar war, bis man erkannte wie es zum Phänomene der Empfängnis kam, die dem Koitus folgte. Und Leonard Cottrell schreibt: James Frazer, Margaret Mead und andere Anthropologen haben herausgefunden, dass in den sehr frühen Stadien der Entwicklung, bevor man das Geheimnis der menschlichen Fruchtbarkeit verstand, bevor der Koitus mit Geburt assoziiert wurde, die Frau als Spenderin des Lebens verehrt wurde. Nur Frauen konnten die Art fortpflanzen, und der Anteil des Mannes an diesem Prozess war noch nicht erkannt worden. Erst nach etwa zwei Millionen Jahren der Menschheitsgeschichte entdeckten indoeuropäische Rinderzüchter in den südrussischen Steppen vor 5‘000 bis 6’000 Jahren, welchen Anteil die männlichen Tiere bei der Zeugung hatten.
Von da an war es nur ein kleiner Schritt zur „Vergöttlichung“ der Fruchtbarkeit. Sie manifestiert sich in der Gestalt der „Grossen Göttin“, die mit der „Mutter Erde“ identifiziert wird. Aus ihr spriessen die Pflanzen, die für das Leben der menschlichen Gemeinschaft von grösster Wichtigkeit sind. Da es aber auch Funde aus der Frühsteinzeit gibt, die den männlichen Phallus zeigen, teilen nicht alle Forscher die Sichtweise, dass es sich nicht nur um die weibliche Sexualität drehte. Sie verneinen ein Dominieren des Matriarchats in der Frühsteinzeit, da aber keine schriftliche Texte belegen können, wer nun die Wahrheit für sich beanspruchen kann, bleibt auch das nur Vermutung.
Wer nun aber glaubt, das sei der Beginn einer grossen Vergötterung der Frau, der irrt. Mit dem Bewusstsein der Wichtigkeit des Mannes am Geschlechtsakt kam der Anspruch auf die geborenen Söhne und damit verbunden, der Anspruch und Besitznahme der Vulva der Frauen. Der Mann wollte Sicherheit, dass seine Söhne auch seine Söhne waren.
Wer waren aber nun die Mittler zwischen Tod und Leben, zwischen Fruchtbarkeit und Verzicht, wer konnte das Unerklärliche erklären? Das waren mit Sicherheit Schamanen, Heiler und Medizinmänner. Sie bildeten die Brücke zwischen Realem und Unerklärbarem, sie waren es, die tröstend den Weg aufzeigen mussten nach schwerer Krankheit und Tod.  Sie waren es auch, die über die Opferriten herrschten, sie waren die Verantwortlichen für die Verbindung ins Jenseits.
Schamanismus ist nicht, wie vielfach angenommen, eine „Religion“, sondern ist Teil vielgestaltiger religiöser Systeme. Der Schamane nimmt darin unter anderem den Rang eines Heilers, Priesters, Wahrsagers und Seelenbegleiters der Toten ein. Dieser Teilbereich von Religionen ist besonders eng mit den Religionen Sibiriens, Zentralasiens, Koreas, der nordamerikanischen Ureinwohnern und Tibets verbunden.
Der Schamane kann männlichen oder weiblichen Geschlechts sein. Sein wichtigstes Merkmal ist die Fähigkeit, einen ekstatischen Zustand zu erreichen, den er durch Gesänge, Tanz und Schlagen einer Trommel und in manchen Fällen auch durch die Einnahme von Drogen herbeiführt. In diesem tranceartigen Zustand verlässt die Seele des Schamanen zeitweilig den Körper und tritt eine mystische Reise in den Himmel – den sogenannten Himmelsflug – oder in die Unterwelt an. Auf diesen Reisen bekommt sie von Geistern und Dämonen Hinweise auf Ursachen von Erkrankungen oder Todesfällen im Stamm und erhält Informationen über die Zukunft. Menschen, die zu solch ekstatischen Zuständen fähig sind, sind oft hochsensibel.
Die Religionen der Megalithkulturen. Die Megalithkulturen sind, wie der Name schon sagt, gekennzeichnet durch Grosssteinbauten.
Die Vermutung liegt nahe, dass sich hinter den sich gleichenden baulichen Hinterlassenschaften auch miteinander verwandte religiöse Vorstellungen verbergen. Die Zeitspanne, in der sich die Ausbreitung der Megalithkulturen vollzog, umfasst ungefähr den Zeitraum von 5000 bis 2000 vor unserer Zeitrechnung. Die aus gewaltigen Steinen errichteten Bauten stehen alle im Zusammenhang mit dem Totenkult oder der Verehrung überirdischer Mächte. Für die sesshaften Menschen der Jungsteinzeit waren die Aussaat, das Wachsen und die Ernte des Getreides sichtbarer Ausdruck des Kreislaufs von Leben und Tod. In Verbindung damit stand wohl auch der vor allem im Mittelmeerraum zu beobachtende Fruchtbarkeitskult der „Grossen Mutter“.
Auch das Dasein des Menschen empfand man als Kreislauf, in dem der Tod nichts Endgültiges, sondern nur eine Station auf dem Weg in ein anderes Leben war. Daher errichtete man als Zeichen der Unvergänglichkeit unzerstörbare Grabanlagen aus Stein, die feste Punkte in einer unsicheren Welt und eine sichtbare Verbindung zu den Ahnen darstellten, die sozusagen in der „Nachbarschaft“ der Lebenden weiterexistierten.
Viele der Gräber sind höhlenartig angelegt, dahinter stand die Vorstellung, den Toten wie ein Getreidekorn in den Bauch der »Mutter Erde« zu betten, auf dass er – analog zum Wachsen des Getreides – einer Art Wiedergeburt in einer anderen Welt teilhaftig würde. Viele der in den Megalithgräbern dargestellten spiralförmigen Motive scheinen diese Vorstellung von Ewigkeit sichtbar zu machen und weisen auf ein zyklisches Weltbild ohne Anfang und Ende hin.
Als im frühen 3. Jahrtausend v.u.Zr. die alten lokalen Kulte zu überregionalen Einheiten zusammenwuchsen, kristallisierten sich zwei grosse Götterkreise heraus, deren Vorstellungen von der Entstehung und dem Wesen der Welt sich stark voneinander unterschieden: In Norden dem sumerischen Götterkreis um den Windgott Enlil von Nippur, der zu dieser Zeit bereits den eigentlichen Göttervater An als Chef des Pantheons verdrängt hatte, und im Süden der babilonische Götterkreis um Enlils Bruder Enki, den Stadtgott von Eridu. Von Anfang an scheint der Kult Enkis, des gutmütigen Gottes der Weisheit, der Magie und des Kunsthandwerks, die Vorherrschaft Enlils anerkannt zu haben.
In Nippur herrschte die Vorstellung einer Autogenese der Schöpfung; die Welt sei am Anfang in einem embryonischen Zustand im Duku, dem heiligen Hügel, vorgeformt gewesen. Der männliche Himmel und die weibliche Erde seien in einem gewaltigen Koitus vereint gewesen und erst nach der gewaltsamen Trennung der beiden durch Enlil sei der für das Leben nötige Raum entstanden. Doch es kommt immer wieder zur Kopulation von Himmel und Erde: Diesen sekundären Schöpfungen entspringen dann jedes Mal Dämonen, die den Göttern ihre Erstgeburtsrechte neiden und gegen sie Krieg führen. In Eridu glaubte man, dass die Welt so, wie sie den Alten bekannt war, von Enki eingerichtet und geschaffen worden sei. Dies ging oft mit zuweilen komischen Zwischenfällen einher, durch die man sich die Existenz von Krankheit, Leiden und Unordnung erklärte.
Zahlreich sind im sumerischen Pantheon die Mutter- und Unterweltsgöttinnen. Die grosse Mutter tritt unter vielen Namen auf. Oft ist nicht klar, ob es sich bei den Bezeichnungen um verschiedene Gottheiten oder nur um einzelne Aspekte derselben Gottheit handelt. Ninchursanga, die Herrin des Berglandes, Ninmach, die erhabene Herrin, oder Aruru und Mama sind nur einige wenige Namen. Sie sind die machtvollen, grossen Frauengestalten, deren Fluch selbst Enki nichts entgegenzusetzen hat. Aber sie zürnen nicht lange und helfen, den von ihnen angerichteten Schaden zu beheben. Ein Teil der ihnen zugeschriebenen Macht mag mit jenen den Männern unzugänglichen Bereichen von Mutterschaft und Geburt zusammenhängen. Ein grosser Teil der verschiedenen Heilsgottheiten, die mit der Unterwelt assoziiert wurden, ist ebenfalls weiblich. Hier sind zu nennen die Göttin Gula, Nintin'ugga (Herrin, die die Toten belebt) und Ninkarrak. Die wichtigste Göttin des Alten Orients ist im Sumerischen unter dem Namen Inanna, im Akkadischen als Ischtar bekannt. Im Unterschied zu den anderen Göttinnen war sie allerdings keine mütterliche Göttin. Zu ihrem Kult gehörten auch Prostitution und sexuelle Abweichung. Mit ihr verband man Streit, Konflikte und Unordnung, aber auch Fruchtbarkeit.
Wie wir heute wissen, wurde die ursprünglich sumerische Götterwelt später durch eine semitisch geprägte erweitert und umgestaltet. Die alten sumerischen Götter wurden an die neuen semitischen angeglichen und erhielten zum Teil andere Namen. Da die schriftlichen Überlieferungen der mesopotamischen Mythen überwiegend aus dem 2. und 1. Jahrtausend v.u.Zr. stammen, sind sie, gemessen am Alter der mesopotamischen Zivilisationen, relativ jung. Sie trennen nicht zwischen alten sumerischen Motiven und neueren semitischen, sondern stellen ihre jeweils gültigen Vorstellungen dar. Für die früheren Perioden aus der Zeit der Vorherrschaft der sumerischen Kultur sind dagegen nur Bruchstücke vorhanden. Auch das Motiv der Erschaffung des Menschen erscheint bereits zu sumerischer Zeit. Nach einer Version klagen die Götter darüber, dass sie niemanden haben, der für sie arbeitet und sie mit Nahrung versorgt. Daraufhin erschafft Enki zusammen mit der Muttergöttin Ninmach, auch Ninchursag genannt, den Menschen aus Schlamm. An anderer Stelle heisst es, dass der Göttervater Enlil nach der Trennung von Himmel und Erde mit der Hacke, die er erschuf, ein Loch in die Erde grub, aus dem die Menschen herauswuchsen.
Mehrere sumerische Mythen gingen in spätere Religionen ein. Einer der berühmtesten war Vorlage für die spätere biblische Erzählung von Paradies und Sündenfall: der „Mythos von Dilmun (Bootgott)“, auch Paradiesmythos genannt. Er handelt von dem glücklichen Land Dilmun, das vollständig von Krankheiten und Raubtieren verschont ist. Doch es fehlt das Wasser. Als Enki danach verlangt, lässt der Sonnengott Utu Wasser aus der Erde hervorsprudeln.
Zu einem Mythos über Sterben und Auferstehung. Die ursprünglich sumerischen Götter Inanna und Dumuzi wurden von den Semiten Ischtar und Tammuz genannt. Die Liebesgöttin Inanna verliebt sich in den Hirten Dumuzi und heiratet ihn, wodurch der einfache Mann unvermittelt zum Herrscher von Uruk wird. In der Folge nimmt ein unheilvolles Schicksal seinen Lauf, als Inanna beschliesst, in die Unterwelt hinabzusteigen, um dort die Göttin Ereschkigal zu verdrängen. Auf ihrem Weg durchschreitet sie die Sieben Tore und muss an jedem ein Kleidungs- und ein Schmuckstück ablegen, sodass sie schliesslich völlig nackt – und das heisst: Ihrer ganzen Macht entblösst – vor der Göttin Ereschkigal erscheint. Diese richtet den Blick des Todes auf sie und Inanna stirbt.
Der Götterkönig Enlil erschafft daraufhin zwei Boten, die er mit der Speise und dem Wasser des Lebens in die Unterwelt schickt. Damit gelingt es auch wirklich, Inanna wieder ins Leben zurückzuholen. Doch als sie dann im Begriff ist, die Unterwelt zu verlassen, versperren ihr die Sieben Richter der Unterwelt den Weg und verlangen, dass sie einen Ersatz für sich stellt. Begleitet von den Galla-Dämonen, die den Auftrag haben, sie bei Nichterfüllung dieser Pflicht zurückzubringen, kehrt Inanna auf die Erde zurück. Nach einigen Umwegen erreicht sie schliesslich Uruk und findet dort ihren Gemahl Dumuzi, der das Leben ohne seine Frau in vollen Zügen geniesst. Voller Zorn weist Inanna die Dämonen an, Dumuzi entsprechend den Vorgaben der Richter an ihrer Stelle in die Unterwelt mitzunehmen. Doch die Totengöttin Ereschkigal erlaubt ihm, jeweils die Hälfte eines Jahres auf der Erde zu verbringen.
Dieser Mythos des Sterbens und Wiederauferstehens im jahreszeitlichen Rhythmus steht als Symbol für den Zyklus von Aussaat und Ernte, in dem sich Leben und Tod der Menschen spiegeln. Er stellt ein zentrales Thema der altorientalischen und altmediterranen Religionen dar; seine Wurzeln reichen bis in die Jungsteinzeit zurück.
Die Erschaffung des Menschen wird in dem wahrscheinlich im 17. Jahrhundert v.u.Zr. niedergelegten Atramchasis-Mythos geschildert. Danach gab es zwei Arten von Göttern, wobei die niedrigeren den höher gestellten alle lebensnotwendigen Arbeiten abnehmen mussten. Doch die niedrigen Götter waren eines Tages nicht mehr dazu bereit, und so erschuf der schlaue Gott Ea, der bei den Sumerern ursprünglich Enki hiess, den Menschen aus Lehm und göttlichem Blut. Die Menschen vermehrten sich rasch, und der von ihnen erzeugte Lärm störte den obersten Gott Enlil in seiner Ruhe, sodass er beschloss, die Zahl der Menschen zu verringern. Er schickte Seuchen, Dürre und Hungersnöte, doch Ea schützte seine Geschöpfe durch klugen Rat. Dann wollte Enlil die Menschen durch eine Sintflut vernichten. Wieder half Ea, sodass es Atramchasis gelang, sich selbst und somit das Menschengeschlecht zu retten. Doch von nun an beschränkte Ea die Lebenszeit der Menschen. Darüber hinaus verhinderte er durch Kindersterblichkeit und Unfruchtbarkeit auch, dass sie sich unbegrenzt vermehrten.

SUMERER

Die allermeisten Mythen der Bibel haben ihren Ursprung in viel früheren Zeiten, so taucht der Mythos von der Sintflut bereits bei den Sumerern auf. Die Götter beschliessen – aus welchen Gründen, ist nicht bekannt –, die Menschen durch eine Sintflut zu vernichten. Nur der fromme Ziusudra wird gewarnt. Er erbaut ein Boot und übersteht so die sieben Tage und sieben Nächte währende Flut. Danach bringt er dem Sonnengott Utu ein Opfer dar und erhält „ein Leben als Gott“, das er im Land des Sonnenaufgangs verbringen darf. Dieser Stoff ging dann später in das babylonische Gilgamesch-Epos ein. Auch gibt es ein Vorbild für den Garten Eden. Einige Passagen aus dem Buch Genesis, die die Schöpfungsgeschichte zum Thema haben, zeigen eine enge Verbindung zu den Schöpfungsmythen Mesopotamiens. So findet man zum Beispiel dort den Paradiesmythos der Sumerer, der auch „Mythos vom Lande Dilmun“ genannt wird. Während in der Version der Bibel die grundlegende Frage nach dem Ursprung des Übels in der Welt beantwortet wird, dient der Mythos in Mesopotamien zur Erklärung der Erschaffung von Krankheit und Heilung. Allerdings sind die Ähnlichkeiten des sumerischen Mythos mit dem der Bibel offensichtlich. Ein durch Bewässerung erschaffener paradiesischer Garten enthält verbotene Früchte, die trotz des göttlichen Verbots gegessen werden. Der Paradiesmythos entstand vielleicht auch durch dunkle Erinnerungen an die Verhältnisse der ausgehenden Altsteinzeit, als die Menschen noch Jäger und Sammler waren und ein relativ freies und ungebundenes, wenngleich gewiss nicht paradiesisches Leben führten – ohne die Zwänge, die Ackerbau und andere Arbeitstätigkeiten seitdem ausübten.
Wahrscheinlicher ist aber, dass die Menschen von jeher von einem Ort träumen, der völlig ihren Vorstellungen von Frieden und Harmonie entspricht, der aber auf dieser Welt nicht zu finden sein wird. Auch alle grossen Utopien der Neuzeit münden letztendlich in der Schaffung eines paradiesischen Zustands.
Neben dem Paradiesmythos gibt es noch andere Anleihen aus den wesentlich älteren Schöpfungsmythen Mesopotamiens in der Bibel. So findet man zum Beispiel auch dort die Schaffung des Menschen aus Lehm und die Geschichte der Sintflut mit Utnapischtim, dem „babylonischen Noah“. Kaum ein Mythos ist so alt wie der von der urzeitlichen Sintflut, die im Alten Testament ausführlich beschrieben ist. Danach war dem Schöpfergott das sündige Treiben der Menschheit ein Gräuel. Mithilfe einer Überschwemmung des Planeten liess er alles Leben vernichten – nur Noah, seine Familie und eine begrenzte Zahl von Tieren überlebten. Nicht nur die Bibel kennt die Sintflut, auch in anderen Kulturen in der ganzen Welt gibt es Überlieferungen von einer grossen Überschwemmung. 1872 gelang die Übersetzung einer Keilschrift auf Tontäfelchen, die bei Ausgrabungen in der assyrischen Hauptstadt Ninive gefunden worden waren. Die Dokumente stammen aus der Zeit um 650 v.u.Zr. und erzählen die Legende vom sumerischen Helden Gilgamesch. In diesem ersten grossen Epos der Weltliteratur ist auch von einem Mann die Rede, der mitsamt seiner Familie eine Flutkatastrophe überlebte. Der Stoff geht auf die Zeit des 3. Jahrtausends v.u.Zr. zurück und ist damit weitaus älter als der Bericht von Sintflut und Noahs Arche aus dem Alten Testament. Der Bericht der Bibel über die grosse Flut ist keine Einzelerscheinung. Ähnliche Flutsagen sind in Ozeanien oder auf dem amerikanischen Kontinent verbreitet.

ÄGYPTEN

Das Kennzeichen der ägyptischen Religion war vor allem der Totenkult. Wie sich am Beispiel der berühmtesten Bauwerke Ägyptens, der Pyramiden, zeigt, nahm er einen hohen Stellenwert im religiösen Leben ein. Daher wurde auf den Bau von Grabmälern und Tempeln grosse Sorgfalt verwendet. Da sie für die Ewigkeit bestimmt waren, baute man sie – im Gegensatz zu den Wohnbauten der Lebenden – aus Stein. Fast unser ganzes Wissen über die ägyptische Religion stammt aus den Reliefs, Hieroglyphentexten und Wandmalereien der Gräber und Tempel.
Wichtig für das Weiterleben im Jenseits war die Unversehrtheit des menschlichen Körpers. Diesem Ziel diente die sorgfältige Mumifizierung und nicht zuletzt die aufwendige Gestaltung der Grabanlagen, etwa der Pyramiden und Felsgräber. In diesen Zusammenhang gehört auch die Auffassung vom Wesen des Menschen, das nicht nur die körperliche Gestalt umfasst, sondern zu dem auch verschiedene seelische Aspekte wie der Ka (Lebenskraft) und der Ba (Erscheinungsbild) gehören, die in Verbindung mit dem mumifizierten Körper das Weiterleben im Jenseits garantierten. Viele Götter Ägyptens waren als Schutzherren einer bestimmten Stadt nur von regionaler Bedeutung. Ihnen gegenüber standen die im ganzen Land verehrten Gottheiten. Seit dem Alten Reich kam dem falkenköpfigen Gott Horus, dessen Augen als Sonne und Mond galten, als Himmelsgott eine besondere Stellung zu. In enger Verbindung zu ihm stand der Sonnengott Re, der mit Horus zu Re-Harachte verschmolz. Der Hauptkultort des Re war Heliopolis und im Alten Reich erlangte die Sonnen-verehrung einen hohen Stellenwert; zahlreiche Sonnenheiligtümer wurden errichtet. Ein ausgesprochen rätselhafter Gott ist Seth, der in der Gestalt eines nicht definierbaren, vielleicht eselartigen Tieres dargestellt wurde. Er war ein Gott der Wüste, des Sturms und des Unwetters und der Widersacher und Bruder des Horus. Eine zentrale Rolle spielt er im Mythos von Tod und Wiedergeburt des Osiris. Dieser war der Gott des Totenreiches und der Vegetation. Seine mythische Ermordung durch Seth und die anschliessende Wiederauferstehung waren zentrales Thema der ägyptischen Religion und symbolisierten den Kreislauf der Natur sowie die Wiedergeburt der Toten im Jenseits. Dort wird jeder Tote wiedergeboren und damit wesensgleich mit Osiris.
Ein weiterer Gott mit starker Beziehung zum Totenreich war der schakalköpfige Anubis, der Herr der Totenstadt. Ebenfalls einen Bezug zum Jenseits, nämlich zum Totengericht, hatte der in Hermopolis verehrte Gott Thot mit der Gestalt eines Ibis oder eines Pavians. Er galt als weiser Gott, als Bringer von Wissenschaft und Schrift und als ihr Schutzherr. Unter den weiblichen Gottheiten ragt Isis, die Gattin des Osiris und Mutter des Horus, hervor. Sie war sowohl Himmelsgöttin als auch Schutzherrin der Begräbniszeremonie. Daneben galt sie als Beschützerin der Ehe und der Kinder und darüber hinaus als zauberkundig. Sie war die (göttliche) Mutter eines jeden Pharaos, galten diese doch als Verkörperung des Horus. Ihr nahezu gleichgestellt war Hathor, die „Himmelskuh“, die in Kuhgestalt oder mit Kuhhörnern dargestellt wurde. Sie beschützte König und Königin, aber auch alle weiblichen Tätigkeiten. In ihrem Kult spielten Musik und Tanz eine grosse Rolle. Weil Menschen der Vorzeit in Tieren oft göttliche Eigenschaften bewunderten, verweisen viele Götter mit ihren Merkmalen auf diese Tradition. So war der Falke das Symbol des Himmels und der Sonne, im Löwen spiegelte sich die Wildheit wieder und die Kuh symbolisierte die gebärende Muttergöttin. Später nahmen dann Göttergestalten neben anderen Eigenschaften auch Merkmale bestimmter Tiere an. Die religiösen Vorstellungen der Ägypter wirkten in hohem Masse auf die griechische und die römische Welt ein, was besonders in den Jenseitsvorstellungen der griechischen Orphiker und der Verbreitung des Isis-Kultes über das ganze Römische Reich deutlich wird. Die altägyptische Ikonografie blieb sogar bis ins Christentum erhalten: In den frühen koptischen Darstellungen der Jungfrau Maria mit dem Kind erkennen Kunsthistoriker viele Merkmale der Darstellung der Isis mit dem Horusknaben. Es gibt ihn in verschiedenen Varianten. Den altägyptischen Schöpfungsmythos kennt man in drei Hauptversionen, die jeweils mit einer bestimmten Stadt – Heliopolis, Memphis und Hermopolis, Theben – und der dort herrschenden Gottheit verbunden sind.
Der wichtigste altägyptische Mythos ist der des Gottes Osiris. Danach war Osiris von seinem Bruder Seth, dem Gott der Wüste, angegriffen worden und starb in der Nähe der Stadt Abydos. Seine Gattin Isis und Seths Gattin Nephthys fanden die Leiche. Durch die Abhaltung der magischen Totenriten erwachte Osiris teilweise zum Leben und Isis wurde schwanger. Danach wurde Osiris begraben.

KANAANÄER

Die Kanaanäer verehrten mehrere Götter. Das Volk der Kanaanäer war von semitischer Herkunft und siedelte seit dem 3. vorchristlichen Jahrtausend im heutigen Palästina. Als Teil des phönizisch-syrischen Kulturgebietes verehrten sie dieselben Götter wie die Menschen im phönizischen Tyros, im syrischen Emesa oder im nordafrikanischen Karthago. Die religiösen Vorstellungen sind uns leider nur fragmentarisch überliefert. Neben dem Alten Testament und einigen phönizischen Inschriften zählen die im Jahr 1929 entdeckten mythologischen Texte aus Ugarit zu den wichtigsten Quellen, die uns interessante Einblicke in die Religion der Kanaanäer gestatten.
Obwohl die Bibel viele Geschichten erzählt, in denen sich die Juden der heidnischen Vielgötterei erwehren mussten, finden sich auch in der Religion der Israeliten immer wieder Aspekte – in diesem Fall die Vielgötterei, die sich auf Einflüsse ihrer vorgeblichen Widersacher zurückführen lassen. Für die polytheistischen Kanaanäer gab es eine göttliche Vaterfigur – den Schöpfergott El. „El“ ist das westsemitische Wort für „Gott“ und bezeichnete bei den Kanaanäern den Vater aller Götter und Menschen. Man verehrte ihn als „Schöpfer der Erde“, als „Oberhaupt des Götterhimmels“ und als Stier, der das Universum erschaffen hatte. Er galt als gutmütig und barmherzig, zugleich aber auch als schwach und zaudernd. Deshalb wurde er schliesslich durch Baal vom Himmelsthron gestossen. El hatte zwei Gattinnen. Die Göttin Ascherat, die mit Astarte oder Tanit gleichgesetzt wird, war die Mutter der Götter, und man verehrte sie auch als Shahar (Morgenstern). Als besonderes Attribut hielt sie zwei Kultbäume oder Pfähle in den Händen. Möglicherweise sind die Kultpfähle, die später in der Bibel erwähnt werden (2. Kön 21,7; 23,6), ein Hinweis auf Ascherat und damit auf die Tatsache, dass ihr Kult auch noch im Jahwetempel ausgeübt wurde. Els zweite Gattin und zugleich seine Tochter war die blutrünstige Anat, Göttin der Liebe und des Krieges. Man verehrte sie auch als Shalim (Abendstern). El wurde schliesslich durch Baal entmachtet. Baal bedeutet „Herr“ und war als einziger der Götter kein Sohn Els, sondern ein Sohn des Wettergottes Dagan, dem späteren Nationalgott der Philister. Nachdem er El vom Himmelsthron verdrängt hatte, nahm er Anat zu seiner Gefährtin. Seitdem wurde er als Fürst und Herr der Erde angebetet. Der Gott Jamm war als Gott des Meeres der Erstgeborene Els und machte deshalb Baal die Herrschaft streitig. Nach einem Zweikampf wurde er von Baal getötet.
Der Gott Mot war der grosse Widersacher Baals und Herrscher der Unterwelt. Baal forderte Mot heraus und stieg in die Unterwelt, wo er starb. Aus Rache tötete Anat Mot und zerstückelte seinen Leichnam. Nach sieben Jahren wurden beide wiedererweckt und Mot musste Baals Herrschaft anerkennen.

ISREALITEN

Ab 1200 v.u.Zr.: Mit der Besiedlung Kanaans durch die Israeliten kam es zu einer Gleichsetzung des israelitischen Stammesgottes Jahwe mit dem kanaanitischen Gott El. Seit dieser Zeit bezeichnet man Jahwe beispielsweise auch als El Olam (Gott der Ewigkeit). Selbst zwischen Jahwe und der Gottheit Baal gab es ursprünglich eine Verbindung, und gottergebene Israeliten wie Gideon (Ri 6,32) nannten sich Jerubbaal (Baal kämpft). Erst später wurde Baal zum verhassten Symbol für Heidentum und Götzenkult. Besonders ein Beispiel verdeutlicht den Einfluss des kanaanitischen Kultes auf das Judentum: Im Tempel des Salomo stand bis ins 7. vorchristliche Jahrhundert wahrscheinlich ein Kultbild der Göttin Ascherat, die man möglicherweise als Gemahlin oder weiblichen Aspekt Jahwes verehrte. Doch auch die Anlage von Heiligtümern und die Abhaltung von bestimmten Opferriten, wie beispielsweise Brandopfern, kann man auf Einflüsse aus dem phönizisch-syrischen Bereich zurückführen. Selbst die israelischen navi (Propheten) haben wahrscheinlich ihre Vorbilder bei den asketischen Nabiim des Baalkultes. Zum Pantheon der kanaanäischen Götter gehörten auch Reshef und Moloch. Reshef galt als Gott von Seuchen und Unheil. Hinter Moloch verbirgt sich der hebräische Molech, von dem in der Bibel berichtet wird, dass ihm Kinderopfer auf einem grossen Herd dargebracht wurden (2. Kön 16,3;  33,6). Im phönikisch-syrischen Bereich war er jedoch ein Begriff für Ersatzopfer: Statt eines Kindes opferte man ihm ein Tier. Die heutige kontinentaleuropäische Forschung nimmt mehrheitlich an, dass die altisraelitische/judäische Religion ihre monotheistische Lehre („Es gibt nur einen Gott, alle andere Götter sind nichts.“ Dtn 32,21) erst ab dem 6. Jahrhundert v.u.Zr. entwickelt habe. Vorher hätten die Hebräer ihren Gott JHWH lediglich als einen Gott neben anderen in ihrem Stamm verehrten verstanden - mindestens bis zum 7. Jh. sei die Religion der älteren jüdischen Bevölkerung polytheistisch gewesen.
Nach dieser Ansicht ist JHWH zunächst ein in Jerusalem ansässiger Lokalgott gewesen. Mit der wachsenden Bedeutung des israelitischen Reiches und damit der Hauptstadt Jerusalem unter den Königen David und Salomon hätte auch JHWH eine grössere Bedeutung bekommen bis er schliesslich zum König eines göttlichen Pantheons geworden sei (vergleiche die Serafim in Jesaja 6). In dieser Phase zwischen Polytheismus und Monotheismus kann man vielleicht von einer Monolatrie, einer weitgehenden Alleinverehrung JHWHs, sprechen.
Aber trotz seiner herausragenden Stellung hat JHWH im Nord- und im Südreich vermutlich eine göttliche Partnerin gehabt: Bis heute hat man neben etwa 1000 weiblichen Tonfiguren auch Inschriften in Gräbern und Privathäusern aus der Zeit zwischen dem 8. und 6. Jh. gefunden, die zeigen, dass neben JHWH auch Aschera als seine Gattin verehrt wurde. Es wird vermutet, dass die Bildnisse JHWHs und Ascheras sogar im Jerusalemer Tempel bis zu seiner Zerstörung durch die Truppen Nebukadnezars gestanden haben.
Nach der Eroberung durch babylonische Truppen schwächte sich die Bedeutung Jerusalems als religiöses Zentrum des Judentums ab. Im Exil beeinflussten babylonische Kulte die israelitische Religion. Unter König Joschija im 7. Jahrhundert v.u.Zr. war vorher eine Bewegung entstanden, die die alleinige Verehrung JHWHs forderte (2 Mos 23,13); die Anhänger dieser Bewegung fanden nun im babylonischen Exil Gehör: Es verbreitet sich in Babylon unter den israelitischen Priestern der Gedanke, JHWH sei der einzige und allmächtige Gott, der selbst die Zerstörung Jerusalems und des Tempels herbeigeführt habe, um die Israeliten für ihre (teilweise) Abwendung von ihm zu bestrafen.
Erst in der Zeit des Exils ist demnach die Magie des Götterpaares auf den einen Gott konzentriert und – vermutlich als Folge des Traditionsbruchs durch die Zerstörung des Jerusalemer Tempels – das generelle Verbot von bildlichen Darstellungen erfunden worden. Erst die Heimkehrer aus Babylon haben diesen Monotheismus und das strenge Bilderverbot nach Jerusalem mitgebracht. Die abrahamitischen Religionen und Lehren sind monotheistisch, erkennen nur einen einzigen Gott an. Es ist ein personaler Gott, der als Individuum erscheint und als eine Instanz jenseits der Welt gedacht wird. Er hat den Kosmos erschaffen und kann in das Weltgeschehen eingreifen. Er wird als allwissend, allmächtig und allgegenwärtig angesehen. Er hat Eigenschaften, die in der menschlichen Gesellschaft gemeinhin als positiv erachtet werden, jedoch in absoluter Form: Unfehlbare Gerechtigkeit, allumfassende Liebe und Güte. Beim Problem der Theodizee ist insbesondere die Allgüte Gottes von grosser Bedeutung. Er wird traditionell mit Anreden für das männliche Geschlecht adressiert, wie zum Beispiel mit Herr oder Vater.
Gottesabbildungen sind verboten (Bilderverbot), weil die Gefahr besteht, dass der Mensch Dinge anbetet, die er von eigener Hand geschaffen hat (Götzendienst). Daraus folgt nämlich, dass er seine Eigenschaften oder auch nur einige davon in das Gottesbild projiziert und sich anschliessend diesem Götzen unterwerfen muss, um seine projizierten Eigenschaften zurückzuerlangen. Er wird also in seiner Freiheit eingeschränkt und kann nicht mehr ohne den Götzen leben. Der Monotheismus zeichnet sich laut Erich Fromm eben dadurch aus, dass der Mensch nicht sein eigenes Werk anbetet, sondern einen unsichtbaren Gott.

GRIECHEN

Wie viele andere Religionen hat auch die griechische ihren Ursprung darin, dass die Menschen versuchten, sich ihre Umwelt zu erklären und sie zu domestizieren. Phänomene wie Blitz und Donner, das Wachstum der Pflanzen, das Beben der Erde waren den Menschen unerklärlich. Man vermutete höhere Gewalten als Ursache. Diese waren zunächst abstrakt und unpersönlich. Doch durch das menschliche Bestreben, mit ihnen umgehen, sie beeinflussen zu können, gewannen sie an Persönlichkeit. So wurde Zeus der Gott, der die Blitze warf. Diesen personalen Göttern wurde in ihren Kultbildern ein menschliches Erscheinungsbild gegeben.
Zwischen 1200 und 900 v.u.Zr.: Mit der Entwicklung hierarchisch geordneter Stadtstaaten entstand die sogenannte homerische Religion, in der die Götter nicht nur eine menschliche Gestalt, sondern auch menschliche Wesenszüge erhielten und wie die Menschen in einer strengen Hierarchie lebten. Sie waren Gefühlen und Leidenschaften unterworfen, liebten, hassten, waren voll Neid oder Mitleid. Sie waren wie die Menschen und verkehrten mit ihnen, mit dem Unterschied, dass sie mächtige und unsterbliche Götter waren.
Die Götter pflegten auch untereinander Beziehungen, lebten in Familien, zeugten Kinder, betrogen, bekämpften und unterstützten einander. Die Götter spannten den ganzen Kosmos auf, mit all den unzähligen Sternen. Apoll war für die Kunst zuständig. Athene förderte die Wissenschaft. Hera schützte die Ehe. Poseidon beherrschte das Meer. Hades regierte das Totenreich. Die Welt bestand aus göttlichen Wirkungen und das Leben der Menschen orientierte sich an den Göttern. Nach griechischer Überzeugung hatten sich die Götter den Gipfel des Berges Olymp als ihren Sitz auserwählt. Vernachlässigten die Menschen ihre Huldigung, zürnten die Götter und brachten Leid und Unglück über die Welt. Die Einhaltung der Regeln zur Verehrung der Götter war von grösster Wichtigkeit. An bestimmten Orten waren sie besonders gegenwärtig und den Menschen zugänglich. Solche Orte konnten Quellen, Haine oder Blitzmale sein. Hier entstanden die grossen Heiligtümer.
Mächtige Priesterschaften entwickelten sich, die wegen ihrer besonderen Nähe und Vertrautheit mit den Göttern grossen sozialen und politischen Einfluss genossen. Alle Bereiche des Lebens wurden in den Kult integriert. Für alle Situationen gab es einen Gott und einen Kult. Jede Stadt hatte ihr Heiligtum, in dem die Gottheit verehrt wurde, der sich die Stadt besonders verpflichtet fühlte. Der Kult dieser Gottheit gehörte zu den Bürgerpflichten. Von Staats wegen wurden aufwendige Gottesdienste begangen. Die Orakel sollten dabei helfen, den Willen der Götter zu enthüllen und Handlungsanweisungen für Fragen aller Art zu geben. Die Priester wussten, wie ein heiliger Bezirk eingegrenzt werden musste, den auch die Götter respektierten, wie ein Opfer darzubringen war, damit es das Wohlgefallen der Götter fand, und welche Zeichen die Götter an den Eingeweiden der Opfertiere anbrachten, wenn sie vor Unheil warnen wollten. Im Vogelflug offenbarten die Götter ihren Willen, und ausersehene Priester wie die Pythia von Delphi konnten diesen Willen in ekstatischen Zuständen erfassen. Die Priesterschaft von Delphi bestand aus gebildeten Personen, die in ihren Ratschlägen beträchtliche Kenntnisse der jeweiligen politischen Situation unter Beweis stellten, ohne sich dabei eindeutig festzulegen. Gerne hielten sie ihre Orakelsprüche zweideutig. Als der König Krösus fragte, ob es klug wäre, seine Nachbarn anzugreifen, prophezeite das Orakel, wenn er den Grenzfluss Halys überschreite, würde er ein Reich zerstören – gemeint war sein eigenes, wie sich dann herausstellte. Das Orakel von Delphi wurde in allen Fragen privater und öffentlicher Art zurate gezogen. Es stellte eines der Elemente dar, die die gesamte griechische Staatenwelt einte und verband. Sportliche Spiele fanden alle vier Jahre in Olympia statt, einem Heiligtum des Zeus. Diese Wettkämpfe aller Griechen waren weit mehr als nur ein sportlicher Wettbewerb, sondern hatten eine konkrete religiöse Funktion. Die Olympischen Spiele waren dem Zeus geweiht, und die erbrachten Leistungen stellten ein Opfer dar.
Die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens wurden durch göttliche Autorität bekräftigt. Damit war die griechische Religion nicht allein. Auch die zehn Gebote des Alten Testamentes enthielten die Bestimmungen zum Erhalt des sozialen Zusammenlebens und waren genauso Gottes Auftrag wie das göttliche Recht der Griechen. Die griechische Mythologie liefert zahlreiche Beispiele für das göttliche Recht und die Folgen seiner Missachtung. Medea, die Tochter des Königs von Kolchis, half ihrem Geliebten Jason, das Goldene Vlies zu stehlen. Darin lag ein Frevel. Medea wurde vom Schicksal dafür bestraft. Jason heiratete sie, wandte sich aber einer anderen zu, und Medea tötete aus Verzweiflung und Eifersucht die gemeinsamen Söhne. Die Griechen sahen darin die Strafe für Jasons Frevel und Verrat. Das Schicksal war in der Vorstellung der Griechen eine allmächtige Instanz, der man nicht entrinnen konnte. Der Sagenzyklus um die Familie des Agamemnon führt dies besonders eindrucksvoll vor Augen. Agamemnon, der König von Mykene, war der Anführer der Expedition gegen Troja. Weil die Götter durch widrige Winde die Abfahrt verhinderten, beschloss Agamemnon, seine Tochter Iphigenie der Göttin Artemis zu opfern. Seine Frau Klytämnestra wusste nicht, dass das Mädchen gerettet worden war, und tötete mit ihrem Geliebten Aigystos den Gemahl nach dessen Rückkehr aus Troja. Ihre Tochter Elektra brachte ihren Bruder Orestes dazu, den Mord am Vater zu rächen und die Mutter und ihren Liebhaber zu töten. Keiner der Beteiligten konnte sich den Verstrickungen und der Schuld entziehen.
Anders als in den meisten Religionen ist in der griechischen Mythologie kein Schöpfergott an der Erschaffung der Welt beteiligt. Den griechischen Vorstellungen zufolge herrschte am Anfang der Zeiten das Chaos, ein Abgrund, aus dem sich schliesslich die Erdmutter Gäa erhob. Gäa gebar aus sich selbst den gestirnten Himmel Uranos, die Gebirge und das Meer. Ihre anschliessende Vereinigung mit Uranos bildete eine heilige Hochzeit, als deren Ergebnis die zweite Generation von Göttern, die Uraniden, galten. Zu ihnen gehörten die Titanen, von denen jeweils sechs männlicher und weiblicher Natur waren. Zu den männlichen Titanen zählten unter anderem Okeanos und Kronos, zu den weiblichen Tethys und Rhea. Ausserdem gingen aus dieser Verbindung die drei einäugigen Kyklopen und die drei Hundertarmigen hervor. Uranos verfolgte seine Kinder mit Hass und verbarg sie im Bauch der Erde. Damit sie sich am Vater rächen konnten, stellte Gäa ihren Kindern eine grosse Sichel zur Verfügung. Aber nur Kronos brachte den Mut zu Kampf und Rache auf. Er entmannte den Vater mit der Sichel. Aus dem Blut des Uranos, das auf Gäa herabströmte, gingen die Giganten und die drei Erinnyen, die wir als Rachegöttinnen kennen, hervor. Seine Geschlechtsteile wurden ins Meer geschleudert, wo ihnen, von weissem Schaum umgeben, die Liebesgöttin Aphrodite entsprang – die Schaumgeborene. An Stelle des Vaters Uranos übernahm Kronos die Herrschaft. Er heiratete seine Schwester Rhea und zeugte mit ihr fünf Kinder: Hestia, Demeter, Hera, Hades und Poseidon. Als Kronos jedoch durch eine Weissagung erfuhr, dass er eines Tages ebenfalls von seinem Sohn entmachtet werden sollte, verschlang er seine Kinder.
Zeus ist direkter Nachfahre des Kronos. Dessen Gemahlin Rhea brachte mit Zeus ihr sechstes Kind zur Welt, begab sich dann nach Kreta und versteckte dort das Neugeborene vor den Nachstellungen des misstrauischen Vaters in einer Grotte. Um Kronos zu täuschen, reichte sie ihm statt des Kindes einen in Windeln gehüllten Felsen, den er sofort verschlang. Als Zeus zum jungen Mann herangereift war, zwang er Kronos, die Geschwister wieder auszuspeien. Damit begann der zehnjährige Kampf zwischen Zeus und den Titanen. Auf Gäas Rat hin befreite er die Kyklopen und die Hundertarmigen und schuf sich damit wichtige Verbündete. Die jüngere Göttergeneration gewann den Kampf, die Titanen wurden in den Tartaros gestürzt und dort von den Hundertarmigen bewacht. Das Riesengeschlecht der Giganten, aus der Verbindung des Blutes von Uranos mit Gäa hervorgegangen, erhob sich gegen Zeus und seine Geschwister. Die gewaltige Schlacht zwischen Göttern und Giganten, Gigantomachie genannt, konnten die Götter nur mithilfe des Helden Herakles, Sohn des Zeus und der sterblichen Alkmene, gewinnen. Der andere Angriff auf Zeus ging von Typhon aus, einem von Gäa und Tartaros gezeugten Ungeheuer, aus dessen Schultern 100 Schlangen und Drachenköpfe wuchsen. Aber Zeus setzte seine mächtigen Blitze als Waffe ein. Das Ungeheuer wurde in die Tiefen des Tartaros gestürzt, wo es sich allerdings nach wie vor im Toben furchtbarer Stürme und in Vulkanausbrüchen bemerkbar macht. Erst jetzt war die Macht der neuen Göttergeneration endgültig gesichert und Zeus erlangte die Oberherrschaft über die drei kosmischen Zonen. Der Himmel war sein unmittelbarer Herrschaftsbereich, während seinem Bruder Poseidon das Meer und seinem Bruder Hades die Unterwelt zugesprochen wurden.
Überlieferungen berichten von der Erschaffung des Menschen aus Ton durch Prometheus. Auch von der Neuerschaffung der Menschen, die durch eine von Zeus geschickte Sintflut vernichtet wurden, wird erzählt: Nur Deukalion, der Sohn des Prometheus, und seine Frau Pyrrha überlebten das Strafgericht in einer Arche. Als das Wasser zurückging, opferten sie dem Zeus und folgten der Aufforderung des Orakels, die Gebeine ihrer Mutter hinter sich zu werfen. Es handelte sich dabei um Mutter Erde und die auf ihr liegenden Steine. Die Steine, die Deukalion hinter sich warf, wurden zu Männern, bei Pyrrha wurden sie zu Frauen.
Unter der Herrschaft des Kronos lebte das erste, rein männliche Menschengeschlecht noch als Brüder der Götter. Alles Lebensnotwendige erhielten sie ohne Arbeit und Mühe von der Erde. Unsterblich waren sie zwar nicht, aber ihr von Krankheit und Alter verschontes Leben verbrachten sie mit Feiern und Tanz.
Auf dieses goldene Zeitalter folgte das silberne mit einem Geschlecht, das schon in weniger paradiesischen Umständen lebte. Zeus erwartete Opfer von den Menschen. Als sie das versäumten, beschloss er ihre Vernichtung und erschuf das dritte, das eherne Menschengeschlecht, eine wilde, kriegslüsterne Horde, die sich selbst ausrottete. Danach erschien das Geschlecht der Heroen, von denen einige starben, andere auf den Inseln der Seligen am Rande der Erde angesiedelt wurden. Auf sie folgte das fünfte Geschlecht, als das sich die Griechen selbst verstanden.

RÖMER

Durch die römische Expansion im östlichen Mittelmeerraum kamen die Römer mit Gottheiten in Berührung, deren Verehrung ein Weiterleben der Seele im Jenseits versprach. Der Staat sah sich immer wieder gezwungen, die Ausübung dieser Mysterienkulte einzuschränken oder gar zu verbieten. Dem klassischen und traditionsverhafteten Römer waren diese Götter suspekt, dennoch nahm die Zahl der Gläubigen seit der ausgehenden Republik und in der Kaiserzeit rapide zu. Mit der Reichskrise im 3. Jahrhundert n.u.Zr. erlebten die Mysterienkulte ihre Blütezeit und wurden erst durch das Christentum verdrängt. Der Kult der Kybele und des Attis war der erste Mysterienkult, der zu Beginn des 2. Jahrhunderts v.u.Zr. aus Kleinasien nach Rom gelangte. In diesem Kult spiegelte sich der ewige Kreislauf von Tod und Wiedergeburt; er wurde begleitet von wilden Tänzen und lärmender Musik. Auch der Isis-Kult aus Ägypten beinhaltete den Kampf zwischen Tod und Leben, da Isis der Sage nach ihren Gatten Osiris aus der Unterwelt erweckt hatte. Ihre Anhänger sollten durch Beten und Fasten ein süsses Leben nach dem Tod erhalten. Der Mithras-Kult kam aus Persien und wurde seit dem 1. Jahrhundert v.u.Zr. vor allem von Soldaten praktiziert. Vorherrschendes Thema war der Kampf des Guten gegen das Böse; am Ende des Lebens nahm Mithras seine Anhänger in der Ewigkeit auf. Der Kult enthielt verschiedene Weihegrade und eine Vielzahl von geheimnisvollen Riten formte seine Anhänger zu einer elitären Gruppe. Der Dionysos-Kult kam ebenfalls aus Kleinasien. Als »Schenker des Reichtums« versprach Dionysos seinen Anhängern im Jenseits ein Leben im Überfluss. Hierbei spielte der Weinkonsum eine zentrale Rolle, da er als das Blut des Dionysos galt. Weitere Mysterienkulte waren der Kult des Sabazius aus Thrakien oder der Kult des Sol Invictus (Baal) aus Syrien, die in der Kaiserzeit in Rom ihren Einzug hielten.
Die römischen Priester waren Teil der staatlichen Verwaltung. Während in der altrömischen Zeit einzelne Familiengeschlechter ein bestimmtes Priesteramt innehatten, übernahmen später priesterliche Genossenschaften (collegia) diese Funktion. Zu den Voraussetzungen für das Priesteramt gehörten freie Geburt, körperliche Unversehrtheit und ein unbescholtener Lebenswandel. Während die Priester ursprünglich vom König und später von den Priesterkollegien selbst ausgewählt wurden, übernahmen seit dem Jahr 104 v.u.Zr. die Volksversammlungen das Auswahlverfahren.
Der Pontifex Maximus war der oberste Priester der römischen Religion und leitete das wichtigste Priesterkollegium Roms, welches aus 15 Priestern bestand. Diese führten die Aufsicht über den staatlichen und privaten Kult. Die sechs Vestalinnen hüteten das heilige Herdfeuer im Tempel der Vesta, das immer brennen musste, da von ihm das Schicksal des Staates abhing. Die Priesterinnen unterstanden direkt dem Pontifex Maximus, waren der Keuschheit verpflichtet und genossen ein sehr hohes Ansehen im Staat. Die viri sacris faciundis (Männer zur Durchführung von Opfern) führten die Aufsicht über die fremden Kulte und befragten auf Anordnung des Senates die sibyllinischen Bücher über das Schicksal des Staates, während die Auguren spezielle Vorzeichen wie zum Beispiel Vogelflug oder Blitzschläge deuteten. Weitere bedeutende Priesterschaften waren die epulones, welche den obersten Staatstempel auf dem Kapitol betreuten und die sodales Augustales, die mit der Abhaltung des Kaiserkultes betraut waren. Die berühmten Haruspices (Opfer-, Eingeweideschauer) stammten aus der etruskischen Religion und erkundeten die öffentliche und private Zukunft durch die Deutung von Wunderzeichen.
Die Römer brachten ihren Göttern Opfer dar, um sie zu besänftigen oder um etwas zu erbitten. Neben pflanzlichen Opfergaben wie Getreide, Wein, Bohnen, Früchten, Milch oder Honig opferte man zu besonderen Anlässen auch Stiere, Kühe, Schweine, Schafe oder Ziegen. Das lateinische Wort für Opfertier, hostia, wird heute noch in der katholischen Kommunion verwendet. Dabei opferte man den männlichen Göttern männliche Tiere und den weiblichen Göttern weibliche Tiere. Jede Gottheit bekam dabei ein bestimmtes Opfertier – Jupiter einen weissen Stier, Juno eine Kuh oder Merkur einen Ziegenbock. Im Zuge der Christianisierung des Reichs im 4. nachchristlichen Jahrhundert wurde diese Art der Opferung nicht mehr praktiziert. Die Römer beteten ohne Vorbehalte auch fremde Götter an, sodass ihre ursprünglichen Glaubensvorstellungen im Lauf der Zeit verschüttet wurden. Römische Autoren des 1. Jahrhunderts v.u.Zr. kannten die Wurzeln der eigenen Mythen schon nicht mehr. Der Süden der italienischen Halbinsel war seit dem 8. Jahrhundert v.u.Zr. durch griechische Kolonisten besiedelt worden. In den letzten vorchristlichen Jahrhunderten verstärkte sich deren Einwirkung noch, was durch die Gleichsetzung der griechischen mit den römischen Göttern und die Übernahme der griechischen Mythologie deutlich wird. In hellenistischer Zeit, beginnend mit Alexander dem Grossen, dominierte die griechische Kultur, die als überlegen angesehen wurde, den gesamten Mittelmeerraum sowie den Orient.

GERMANEN

Die Germanen, eine Vielzahl von Stämmen im Ostseeraum, in Norddeutschland und in Südskandinavien, hatten zwar verwandte Sprachen und ein gemeinsames Weltbild, aber keine hochstehende Schriftkultur wie etwa Römer und Griechen. Neben einer Vielzahl archäologischer Funde unterrichten uns vor allem antike Autoren wie Caesar, Tacitus, Jordanes und Prokop über die germanische Religion. Daneben gibt es aus dem frühen Mittelalter Berichte von christlichen Missionaren und Historikern, sowie einige Runentexte und in der frühmittelalterlichen Zeit aufgezeichnete Zaubersprüche, wie zum Beispiel die „Merseburger Zaubersprüche“ und die Heldenepen.
Die Hauptquelle germanischer Mythologie und Religion sind jedoch die isländischen Sagas, vor allem die Edda (Poetik) des isländischen Dichters Snorri Sturluson (1178 bis 1241) sowie die sogenannte Lieder-Edda, die um die gleiche Zeit von einem anderen Autor aufgezeichnet wurde. In der Religion der Germanen sind auch zahlreiche Fremdeinflüsse zu finden. Neben einem Substrat aus vorindoeuropäischen und starken indoeuropäischen Elementen sind Aspekte römischer, christlicher, orientalischer und zentralasiatischer Herkunft anzutreffen. Die verschiedenen germanischen Götter teilten sich in zwei Gruppen, die Asen und Vanen genannt wurden und deren beider Wohnsitz die Götterburg Asgard war. Die wichtigsten Götter der Asen waren Odin/Wotan, Thor/Donar und Tyr/Ziu. Der einäugige Odin war der Gott der Schlachten und des Krieges, aber auch der Weisheit. Er ritt auf seinem achtfüssigen Ross Sleipnir und auf seinen Schultern sassen die Raben Hugin (Gedanke) und Munin (Gedächtnis). Der in seinem von Böcken gezogenen Wagen fahrende und den Hammer Mjölnir schleudernde Thor trug dagegen bäuerlich derbe Züge. Als Gott des Gewitters und des Regens verband sich mit ihm auch ein Fruchtbarkeitsaspekt. Neben diesen beiden Göttern nahm der Kriegsgott Tyr eher eine untergeordnete Rolle ein.
Die Vanen hingegen, die durch einen starken Bezug zu Reichtum und Fruchtbarkeit charakterisiert waren, wurden unter anderem von den Göttern Njörd, seinem Sohn Freyr und dessen Schwester Freya repräsentiert. Letztere wurde oftmals mit der Gemahlin Odins, Frigg/Frija, identifiziert, die die Göttin der Ehe und der häuslichen Arbeit war. Erst mit der Kuh Audhumbla kamen die Götter hinzu, die aus dem schmelzenden Eis Niflheims hervorkam und Ymir mit ihrer Milch ernährte. Gleichzeitig leckte sie so lange an den salzigen Eisblöcken, bis nach drei Tagen ein göttliches Wesen namens Buri in Gestalt eines Mannes hervorkam. Buri wiederum brachte aus sich selbst einen Sohn hervor, Borr oder Burr, der mit der Riesin Bestla drei Söhne zeugte: die Götter Odin, Vili und Ve.Neben zahlreichen anderen Gottheiten sind vor allem noch der verschlagene Loki und der Lichtgott Baldur zu nennen. Ersterer zeugte die Unterweltsgöttin Hel sowie den Fenriswolf und die Midgardschlange. Durch Lokis Machenschaften kam Baldur ums Leben, der fortan sein Dasein in der Unterwelt fristete. Wie bei Griechen und Römern trugen die germanischen Götter menschliche Züge, und ebenso wie die Menschen waren sie ihrem unabänderlichen Schicksal unterworfen, dessen Fäden von den drei Nornen an den Wurzeln der Weltesche Yggdrasil gesponnen werden. Bei dieser handelte es sich um die kosmische Weltachse, die den unterirdischen, irdischen und überirdischen Bereich miteinander verband. Auch die Götter waren sterblich – am Tage der Götterdämmerung. Die Menschen gelangten nach ihrem Tod in das unterirdische Reich der Hel, in dem sie ein tristes Dasein führen mussten. Die im Kampf gefallenen Krieger hingegen zogen in Walhall ein, erfreuten sich dort eines Lebens im Überfluss und übten ihr Waffenhandwerk.